
Aufbrechen kann so einfach sein. Und abwechslungsreich. Die Gudensberger Runde bietet Fernblicke über die stille Landschaft des Chattengaus. Unterwegs laden 17 Kunstwerke zur Betrachtung ein. Schon der Verlauf der Wanderung verbindet Natur und Kultur: Der Weg ist so angelegt, dass er den Stängel und die Blüte einer Blume andeutet – und zwar einer ganz besonderen: der Blauen Blume der Romantik.
Raus aus dem Alltag, rein in die Natur. Ohne viel zu planen, breche ich mit dem Bus auf ins nahe Unbekannte. Während der Fahrt mache ich es mir in meinem Sitz bequem und lasse die Landschaft ebenso wie die Nebelschwaden an mir vorbeiziehen. Wie wohltuend: statt selbst zu fahren, werde ich gefahren. So kann ich mich ganz entspannt einlassen auf meine Auszeit vom Alltag.
Ich steige aus dem Bus und mir fällt auf: Meine innere Uhr tickt bereits ein Stück langsamer. Dieses angenehme Zeitgefühl wird mich heute den ganzen Tag begleiten. Am Anfang des Wegs liegt die Traditionsbäckerei Schwarz. Hier stimme ich mich mit einem Stück Johannisbeer-Baiser auf den Tag ein und nehme mir noch ein Baguette mit für unterwegs. Der Weg führt hinein in die Felder und Streuobstwiesen der Umgebung. Die Straße wird zum Landweg, der Landweg zum Pfad. Im Laufe des Tages teilen sich die Wolken und geben die Sicht frei auf den blauen Himmel. Mein Blick folgt den Telegrafenmasten oder einer Linie von Bäumen bis zum Horizont.

Im Schlenderschritt
Von salbeigrün bis textmarkerhell – die Vielseitigkeit der Farbtöne um mich herum wirkt zugleich beruhigend und anregend. Das beeinflusst mein Schritttempo und meine Wahrnehmung. Ich schlendere. Statt auf einen Bildschirm zu starren, verfolgt mein Blick absichtslos das Wolkenkino über mir. Der strahlende Himmel setzt sich im Verlauf des Tages durch, erlaubt den Wolken aber noch künstlerische Freiheiten.
Vor mir weit ausgebreitet liegt eine Landschaft, die immer wieder in neuem Licht leuchtet. Mal überwiegen die Grünt.ne, mal die Blautöne. Meine Gedanken ziehen zur Namensgeberin des Weges, der Blauen Blume der Romantik. Die Künstlerinnen und Künstler dieser Zeit liebten es, hinaus in die Natur zu ziehen. Warum eigentlich? Während ich hier draußen durch die Zeit und die Wiesen streife, bekomme ich eine vage Ahnung. Vielleicht hatte es mit dieser Lust an der Langsamkeit zu tun – oder mit dem tiefen Eintauchen in eine Welt, mit der wir auf geheimnisvolle Weise verbunden sind. Draußen können wir das spüren: wenn wir das Moos riechen, das wechselnde Licht aufnehmen oder den Vögeln lauschen.

Unterwegs sein und ankommen
Unterwegs begegnet mir die Blaue Blume als Stele, gestaltet von Julia Lambertz. Ich betrachte das Kunstwerk und lese die Infotafel: Die Blaue Blume steht für die romantische Sehnsucht. Vermeintliche Gegensätze lösen sich auf: sich bewegen und innehalten. Unterwegs sein und ankommen. Die Nähe der Natur und die Weite des Himmels. Das ist ja wie beim Wandern, denke ich. Was mir an dieser Verbindung von Wandern und Kunst gefällt: Ich kann mich dem Rhythmus meiner Schritte überlassen und mich nebenbei von der Kunst anregen lassen – unaufdringlich, ohne dass sie sich in den Vordergrund drängt. Genau so hat es die Stiftung ARS NATURA beabsichtigt: Die Natur wird zum Galerieraum, in dem die Kunst still wirken darf. Die ökologisch motivierten Arbeiten verschmelzen mit ihrem Standort.
Es bleibt mir selbst überlassen, ob ich lieber in die Landschaft schaue oder kurz bei einer Skulptur oder Stele verweile. Die Kunstwerke begegnen mir mit Freundlichkeit und manchmal mit skurrilem Charme. Sie bieten mir ein Gespräch an. Sollte ich unterwegs jedoch ganz ins Gespräch mit mir selbst vertieft sein, ist das auch okay.

Fantastische Fernblicke
Zum Abschluss der Tour streife ich auf einem schmalen Wiesenpfad vorbei an Brombeersträuchern und grasenden Schafen. Mein Ziel ist die Obernburg, die Ruine einer alten Höhenburg. Von hier lasse ich in aller Ruhe den Blick ins Weite schweifen. Ich betrachte noch mal die Wälder, Wiesen und Hügel, durch die ich gewandert bin. Die Aussicht bis hin zum Kaufunger Wald und Kellerwald führt zusammen, was ich heute erlebt habe: die stille Landschaft mit ihren Basaltkuppen und weiten Feldern. Und die Kunst in Form eines großen gestalteten „G“s, das mir hier oben begegnet.
Kurz vor dem Ende der Tour lehne ich mich zurück auf einer Liegebank mit fantastischem Fernblick. Gut, dass ich noch ein Baguette im Rucksack habe. Doch selbst wenn ich nichts zu essen dabei hätte, wäre dies ein Ort, an dem ich gern verweilen würde. Ein Glück, dass ich heute so spontan unterwegs war. Schon kleine Veränderungen führen zu großem Wohlbefinden. Dabei denke ich zurück an meinen Tag hier draußen. Der Weg war insgesamt weniger spektakulär als die Aussicht, die sich mir jetzt bietet. Und doch: Der Weg hat mich verändert. Weil er es mir leicht gemacht hat, ohne großen Plan und Aufwand einfach aufzubrechen. Dabei hat er mich leise und unaufdringlich geführt: ins Offene. Ins Lebendige. In die Ruhe.
Alles wichtige für deinen Ausflug
Diese Eigenschaften bietet dir diese Route:
Die Gudensberger Runde „Der Weg der Blauen Blume“
Die Gudensberger Runde ist eine von 34 Teilstrecken des Projekts ARS NATURA – Kunst am Wanderweg. Auf dem Weg der Blauen Blume, wie die Gudensberger Runde auch heißt, begegnest du 17 Kunstwerken, harmonisch eingebettet in eine Landschaft aus Wiesen und Basalthügeln. Die Tour ist insgesamt 18 Kilometer lang. Der Weg bildet in seinem Streckenverlauf eine Blume ab. Abkürzungen sind jederzeit möglich. So kannst du etwa den Stängel der Blume weglassen, ebenso Teile der Blüte.
Navigation
Eine Karte mit dem genauen Verlauf des Weges findest du hier.
Empfehlung für die Kartenlesenden unter euch
Wanderkarte Südlicher Naturpark Habichtswald (Maßstab 1:25.000), Kartographische Kommunale Verlagsgesellschaft, 6 Euro
Anreise
Von Kassel aus mit dem Bus 500 (Kassel – Gudensberg – Fritzlar – Bad Wildungen), Haltestelle Gudensberg Rathaus. Die Linie verkehrt regelmäßig im Stundentakt.
Backhaus Schwarz
Eine traditionelle Bäckerei, die täglich frische Backwaren aus regionalen Zutaten herstellt.
Adresse
Untergasse 19
34281 Gudensberg